Referent:

Dr. phil. Sven-Eric Wehmeyer ist Literaturwissenschaftler. Gegenwärtig arbeitet er – bevorzugt an den Schnittstellen von Ästhetik und Kultursemiotik – als freier Redakteur, Autor und Übersetzer. Für Penguin Random House hat er u. a. mehrere Romane Stephen Kings und Richard Laymons ins Deutsche übertragen. Er ist Dozent und Rezensent, Schwerpunkt populäre Künste, sowie Comic-Experte.

Film:

The Wicker Man (etwa: Der Weidenmann) gehört zu der eher überschaubaren Gruppe von Filmen ohne offenkundige Vorläufer oder Nachfahren, überschreitet Genre-, Kategorien- und Tonartgrenzen, ist Mystery-, Musical-, Kriminal-, Erotik- und Kunstfilm in einem, verbindlich zusammengehalten durch seine virtuos-verspielte und fintenreich-unberechenbare Konstruktion sowie einen kräftigen Schuss als genuin großbritannisch assoziierte Kauzigkeit.

Auf jene Elemente, die sich typischerweise für einen Horrorfilm gehören – Dunkelheit, unwirkliche Monstren, Hässlichkeit, Nebelspuk, Kunstblut, Jump-Scares, dräuender Soundtrack etc. –, verzichtet The Wicker Man dabei völlig. Vielmehr, so Dr. Sven Eric-Wehmeyer, erkundet der Film, den eine problematische Produktions- und Vertriebsgeschichte begleitet, im latenten Vibe einer tiefschwarzen Komödie und als nuanciertes Geflecht aus Täuschungs- und Rätsellösungsmanövern die zwiespältige, im Zweifel fragil-trügerische Natur des Bösen und studiert die sowohl verblendenden als auch befreienden Aspekte von Gesellschaft, Moral und Religion, in finster-fröhlich bejahtem Mangel an Übereinkunft darüber, was „böse“ überhaupt sein soll.

Sergeant Neil Howie, ein strenggläubiger Polizeibeamter vom schottischen Festland, versucht das Verschwinden eines kleinen Mädchens auf der dank des warmen Golfstroms mit üppiger Vegetation gesegneten Insel Summerisle aufzuklären. Zu seiner zunehmenden Irritation und Empörung sieht er sich einer verschrobenen Gemeinde von Heiden gegenüber. Keiner der Insulaner, eine Mischung aus „Hinterwäldlern und Flower-Power-Kids“ (Hans Schifferle), scheint etwas von der Vermissten zu wissen oder preisgeben zu wollen. Stattdessen feiert man munter Rituale, Orgien und vorchristliche Götter, bis in Howie der Verdacht wächst, dass eine blasphemische Opferung bevorsteht. Und sein Instinkt trügt nicht. Schon bald kommt er einer unglaublichen Verschwörung auf die Spur.

The Wicker Man ? Großbritannien 1973 ? Regie: Robin Hardy ? Drehbuch: Anthony Shaffer. Besetzung: Edward Woodward, Christopher Lee, Britt Ekland, Ingrid Pitt ? 92 Minuten. FSK: 16